Sprache aus der Konserve

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Sprache aus der Konserve

Dieser Tage werden in Reykjavík verschiedene Handschriften der Njáls Saga gezeigt – die prominenteste der Gattung Íslendinga Saga. Saga, Plural Sögur, sind dicht verwebte Sippengeschichten, die historische Ereignisse des 10. und 11. Jahrhunderts in altnordischer Sprache aufzeichnen. Sie wurden ab dem Ende des 13. Jahrhunderts von anonymen Schreibern mit Tierblut auf Kalbshäute geschrieben und sind Islands Beitrag zum Weltkulturerbe. Für uns Deutschsprachige ist allein schon die Tatsache faszinierend, dass ein Isländer des 21. Jahrhunderts eine Saga ohne nennenswerte Schwierigkeiten lesen kann und auch liest: Die Sagas haben dazu beigetragen, die isländische Sprache gleichsam zu konservieren.

Eine 2014 vom staatlichen isländischen Rundfunk gestellte Frage nach dem wichtigsten literarischen Werk Islands katapultierte die Njáls Saga an die erste Stelle. Der Nobelpreisträger Halldór Laxness musste sich mit Platz zwei zufrieden geben (Sjálfstætt fólk, deutsch: Selbständige Menschen oder Sein eigener Herr). Vor ein paar Jahren stritten Anrufer einer Live-Radiosendung darüber, welche die beste Saga sei: „Njáls Saga natürlich!“, „Spinnst du? Laxdœla Saga ist viel besser!“, „Schwachsinn, am besten ist die Egils Saga!“. Umrahmt war das heitere Gezänk von Popmusik, die Anrufer waren allesamt keine Philologen, sondern der sprichwörtliche Mann von der Straße. Es war ungefähr so, als würde Herr Kratky zwischen Ed Sheeran und Lady Gaga danach fragen, welche Aventüre des Nibelungenliedes uns am knackigsten erscheine. Ö3 und Nibelungenlied – das könnte lustig sein!

Hier der Beitrag zur Ausstellung des Instituts Árni Magnússon: (RUV, 10.1.2018), bei dem die alten Handschriften zu sehen sind: http:// http://www.ruv.is/frett/njaluhandrit-hittast-a-aettarmoti

In der Njáls Saga geht es um die Freundschaft zwischen zwei Männern – Njáll ist weise und zurückhaltend, nahezu unmännlich, Gunnar ist der strahlende maskuline Held. Die Ehefrauen der beiden geraten sich in die Haare und ziehen ihre Männer in einen tiefen Konflikt. Dieser endet mit der Tötung Gunnars, als der sich weigert, das Land zu verlassen, um sein Leben zu schonen. Njáll findet mitsamt seiner Frau und seinem Neffen den Tod bei einem Brandanschlag auf seinem Hof. Rache und Rechtsprechung kennzeichnen den letzten Teil der Saga, in der nicht weniger als 600 Personen vorkommen. Erstmals aufgeschrieben wurde die Njáls Saga um 1300.

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